Gute Zeiten, schlechte Zeiten

 

Die tägliches Soap auf RTL kennt sicher jeder. Der Titel soll wohl ausdrücken, dass das Leben ein ständiges auf und ab ist. An den lapidaren Szenen ergötzt sich das Zuschauerauge.

Ich betreue die Tankstellenbranche nun schon ziemlich genau 23 Jahre. Auch hier tut sich immer irgendwas, ich weiß nur nicht, ob es jeweils mehr zu guten oder mehr zu schlechten Zeiten gehört.

Mir fällt auf, dass die Mineralölgesellschaften immer größere Schwierigkeiten haben, Pächter für Tankstellen zu gewinnen. Frisches Blut wird immer seltener im Bereich der Tankstellenbetreiber. Es passiert immer wieder, dass "Stammkunden" von mir nach einer gewissen Auszeit dann doch wieder in die Branche zurückkehren und wieder Stationen als Pächter betreiben. Die Mineralölgesellschaften sind auch ganz froh, wenn "alte Hasen" ihre Stationen führen und auch ein gewisses Durchstehvermögen beim Auftreten von Problemen haben.

Aber es ist auch kein Wunder, wenn junge Einsteiger schon gar keine Sicherheiten von den Banken gestellt bekommen und deshalb die Branche meiden. Da hört man dann von Fällen, wo die Häuser der Eltern mit Hypotheken belegt werden, damit diese neuen Pächter überhaupt in die Lage versetzt werden können, die Stationen zu übernehmen und die dazu erforderlichen Sicherheiten beizubringen. Leider geschieht es in meiner Beratungspraxis aber auch in den letzten Jahren immer häufiger, dass Pächter schon nach 1-2 Jahren erhebliche finanzielle Probleme an der Station haben und ein möglicher Ausgleichsanspruch, der dann sowieso sehr gering ist, bei weitem nicht ausreicht, die Defizite, die auf den Stationskonten aufgelaufen sind, abzudecken. Diese teilweise jungen Ehepaar gehen mit 30.000 € bis 40.000 € Schulden von der Station, was auch in der Beratung menschlich sehr bitter ist. Diese Leute müssen über Jahre hinweg Schulden abbauen und haben von der Selbstständigkeit dann auch verständlicherweise die Nase voll. Das sind eindeutig schlechte Zeiten für diese Menschen.

Offensichtlich sind die guten Zeiten aber auch vorbei, in denen von den Mineralöl- gesellschaften im Distrikt oder auch auf höherer Ebene Personen eingesetzt wurden, die mit einer umfassenden Kompetenz ausgestattet waren. Es kommt immer wieder vor, dass ich im Rahmen einer Problemlösung an einer Tankstelle bei meinen Gesprächspartnern in den Mineralölgesellschaften an die Grenze deren Kompetenz gelange. Rechtsabteilungen verweisen dann darauf, dass die Entscheidung über bestimmte Größenordnung der Zahlungen, die man beispielsweise im Rahmen eines Kompromisses aushandelt, von ihnen nicht entschieden werden können. Hier gebe es andere Personen im Hintergrund, die dann über die Zahlen entscheiden. Mit diesen Entscheidern bekommt man überhaupt keinen Kontakt, so dass dann auch wieder nur Vorgaben gemacht werden, ohne dass diese ausdiskutiert werden können. Im Bayerischen sagt man dazu "per Order di Muffti". Es fehlt also völlig an einem konstruktiven Dialog, was auch erst in den letzten Jahren in dieser Dimension aufgetreten ist. Das sind die Folgen von Global-Playing, da die Entscheidungsträger angeblich immer in irgendwelchen Zentralen tausende Kilometer weit entfernt sitzen und selbst den Personen in Deutschland nicht persönlich bekannt sind, die ihrer Entscheidungen umsetzen müssen. Das wird immer anonymer.

Aber auch die Fähigkeit des Umgangs vor Ort lässt zu wünschen übrig. Die Krönung stellt hier die Bearbeitung einer betriebswirtschaftliche Anfrage in der jüngsten Vergangenheit bei einer Mineralölgesellschaft dar, bei der ich auf Umsatzpotenzial an der Station gegenüber dem Distrikt-Leiter schriftlich hingewiesen habe und um einen Gesprächstermin gebeten hatte, indem wir die Verbesserung der Situation erörtern wollten. Es ging nach meinem Dafürhalten um dessen Kompetenzbereich, da das alles auch im Zusammenhang mit Geschäftsplänen steht. Nach einem Abwarten von circa drei Wochen kam statt des Angebotes eines Termines das Schreiben einer Anwaltskanzlei, die ihrerseits wiederum urlaubsbedingt um Fristaufschub gebeten hatte. Da stellt sich dann schon die Frage, weshalb bei einer Mineralölgesellschaft ein Rechtsanwalt die Entscheidung über Shoperweiterungen oder Positionierung von Zapfsäulen übernimmt. Man hat fast das Gefühl, es solle gar kein Miteinander an der Tankstelle zwischen Mineralölgesellschaften und Pächter geben und man schiebt lieber irgendwelche Personen vor, von denen man ein hartes Auftreten vermutet. Das kann aber nicht der Sinn der Sache sein und bringt auch sicherlich keine konstruktiven Lösungen hervor.

Es gäbe hier bestimmt noch eine Fülle von weiteren Beispielen, die zeigen, wo doch vieles bei uns in dieser Branche im Argen liegt. Aber man muss auch sehen, dass es durchaus Pächter gibt, die wissen, auf was sie sich einlassen und deshalb auch ihre Tankstelle mit Erfolg und Freude betreiben. Diese Pächter überprüfen regelmäßig ihre Zahlen und haben auch ein Gefühl für Größen entwickelt, um rechtzeitig vorhersehen zu können, wenn sie in schlechte Zeiten hinein rutschen. Es kann also deshalb nur jedem Pächter empfohlen werden, frühzeitig Kontrollmechanismen einzuführen, die ihm ermöglichen, auch ohne Rücksprache mit dem Steuerberater übersehen zu können, wie die wirtschaftliche Situation an der Tankstelle grob aussieht. Die nach einiger Erörterung aussichtslosen Beratungen bei mir zeigen häufig, dass manche Pächter einfach gar nicht übersehen haben, in welcher wirtschaftlichen Situation sich ihrer Tankstelle befindet. Wenn der Steuerberater dann die Alarmsirene aufheulen läßt, ist es meistens schon viel zu spät.

Zum Schluss noch ein streng rechtlicher Hinweis, um diesem Artikel auch die Existenzberechtigung als Anwaltstipp zu geben. Sollten Sie eine Station übernehmen und vom Vorgänger noch Kautionen für Stationskunden oder vielleicht Gutscheine unterwegs sein, versuchen sie hier schon bei Übergabe der Station mit dem Vorpächter eine Regelung zu finden. Genau genommen besteht ein Rückforderungsverhältnis oder der Anspruch auf Einlösung dieses Gutscheines nur mit der Person, mit der man ein Vertragsverhältnis hat. Dies ist regelmäßig der Vorpächter, so dass der Kunde sich eigentlich nur an diesen wenden muss und kann. Wenn dann doch aus dem Wunsch der Kundenzufriedenheit Einlösungen vorgenommen werden, kann dies dazu führen, dass man dieses Geld nicht mehr zurückbekommt. Bei Kautionen muß man den Kunden an den Vorpächter verweisen. Forderungsübergänge wie beim Arbeitsverhältnis gibt es hier nicht. Und man sollte sich auch keine Ansprüche abtreten lassen, weil dann die Geltendmachung im eigenen Namen gegenüber dem Vorpächter nur wieder mit Aufwendungen und Investitionen verbunden ist. Auch hier kann man mit Vorausschau bei der Übergabe spätere schlechte Zeiten vermeiden.