Grundlagen und Berechnungen zur Aufladung von Verbrennungsmotoren

Bei der Leistungsangabe von nachträglich aufgeladenen Motoren gibt es einige Zweifel an der Fundiertheit der angegebenen Werte. Diese kann man jedoch -weitgehend- berechnen, was hiermit dargestellt werden soll:

 

1. Grundlage der Leistung anhand der im Motor verarbeiteten Luftmenge

Amerikaner ermitteln eine Leistungsgröße von 150 cfm (cubic feet per minute) mit der man 100 PS erreicht. 450 cfm ergeben dann 300 PS usw. Die jeweils vom Motor angesaugte oder dann auch geladenen Menge bringt dann die damit ausrechenbare Leistung. Dazu muß man bei der Aufladung die Verdichterkennfelder anschauen. Die gibt es nach Ladergrößen, wobei dann egal ist, ob sie abgasgetrieben oder riemengetrieben sind. Die Drehzahl und die Luftmenge ist entscheidend. (Quelle: www.rbracing-rsr.com/turbotech.html)

In Deutschland wird die Luftmenge in Verdichterkennfeldern jedoch oft in anderen Einheiten angegeben. Zum Vergleich der Zahlen: 300 PS = 450cfm od. 0,275 kg/sec oder ca. 32 lb/min.

Nun sollte der Lader die gewünschte Luftmenge im mittleren Bereich des Verdichterkennfeldes fördern. Die Drehzahl kann man beim Kompressor festlegen, da sie dort zwangsläufig von der Kurbelwelle bestimmt ist. Dazu muß man die Übersetzung im Hochtreibergetriebe kennen. Beim Turbo ist das nicht so einfach und muß ermittelt werden. Dort ist dann auch entscheidend, wie schnell die Verdichterseite hochgedreht wird, was vom Turbinengehäuse und den darin verbauten Schaufelrädern abhängt (heiße Seite). Als neuste Technik ist auf die Twinscroll-Gehäuse verwiesen, bei der eine doppelte Abgasführung eingeleitet wird.

Beim Verichterkennfeld ist auf der linken Seite der höchste Druck gezeigt. Mit größtem Druck wird versucht, eine geringe Luftmenge in den Verdichterausgang zum Motor hin zu pressen (z. B. bei geschlossener Drosselklappe) Mehr kann er nicht pressen und irgendwann drückt sich die Luft so zusammen, dass sie wieder bis zum Eingang des Verdichter zurückdrückt. Deshalb müssen bei Kompressoren in jedem Fall Umluftventile verwendet werden, die diesen Druck bei geschlossener Drosselklappe aus dem Ansaugtrakt ablassen.

Auf der rechten Seite sieht man den Bereich, wo dem Verdichter quasi die Lust ausgeht. Wenn der Motor hier bei höherer Drehzahl mehr ansaugt (Großvolumen-Motoren), als der Kompressor liefern kann, geht erst der Ladedruck runter und dann kommt gar keine Mehrleistung mehr.

 

2. Was bringt also der Kompressor im nachträglichen Anbau?

Zunächst kann man aus dem vorgenannten erkennen, dass nicht der Ladedruck alleine glückseelig macht. Dazu muß man bedenken, dass ein höherer Druck der Ladeluft auch automatisch Wärme produziert, die man möglichst gar nicht haben will. Sie muß wieder gekühlt werden, was eben auch einen Energieverlust im Ladeluftkühler (LLK) bringt. 0,8 bar max. sollten die Obergrenze für eine Aufladung für längere Zeiträume sein. Deshalb fahren die Amerikaner die Supercharger ohne LLK, weil man auf 400 Metern Beschleunigung nicht soviel Hitze produziert. Bei 20 Kilometer Autobahn sieht das aber ganz anders aus!

Hat mein Motor 200 PS als Grundleistung, saugt er etwa 0,18 kg/sec Luft an. Um den Motor dann auf 300 PS zu bekommen muß vom Kompressor diese Luftmenge und noch etwa 0,1 kg/sec zusätzlich geliefert werden, also etwa 0,275 kg/sec oder 0,212 m³/sec. Schafft er das mit weniger Druck, ist das für die Ansauglufttemperatur besser und bei weniger Erwärmung auch effizienter.

 

3. Nockenwellen und Steuerzeiten

Die meisten Fachleute halten Seriennockenwellen bei Aufladungen für die beste Wahl. Ich würde zwischen Turbo-Motoren und Kompressormotoren unterscheiden. Ein Turbolader braucht in niedrigen Drehzahlen (1500-2000 U/min) schon einen hohen Gasdurchsatz zum Antreiben der Turbine. Das System sollte sich möglichst schnell hochfahren, weil mit mehr Ansaugluft dann auch gleich mehr Abgas produziert wird, was dann wieder die Drehzahl des Turbinenrades erhöht usw. Da sind starke Überschneidungen in OT Gift. Jeder, der schon mal einen Rennmotor gefahren hat, der bis 2500 U/min nur lauter brummt, wenn man Vollgas gibt, aber nicht beschleunigt, kann sich vorstellen, was da für einen Turbolader dabei herauskommt. Namhafte Sportnockenwellenentwickler (Dr. Schrick) schwören auf ein System mit längeren Auslaßöffnungszeiten im Verhältnis zu den Einlaßöffnungen. Lotus fährt im Esprit Turbo SE z. B. auf der Auslaßwelle eine längere Überschneidung in OT, macht aber das Auslaßventil vor UT später auf, als der Sauger mit gleichen Nocken. Die sollten alle wissen was sie tun?!

Moderen Motoren mit variablen Ventilsteuerungen stellen die OT-Öffnung im mittleren Bereich auf geringste Überschneidung zurück, so dass man da sowohl, als auch hat und in das System nicht mehr eingreifen muß.

Beim Kompressor kann ich jedoch dem Motor diese Lethargie abgewöhnen, weil der die Gassäule in den Brennraum schieb, auch wenn der Motor selbst noch nicht genug Unterdruck aufbaut, also gerade bei untersten Drehzahlen. Hätte ich es nicht selbst ausprobiert, würde ich es hier nicht behaupten. Der Motor gibt auf dem Prüfstand dann ein Bild eines vorbildlich gefüllten Brennraumes ab, wie ein Sauger mit mehr Hubraum alter Schule. Aber er geht auch nach oben immer weiter und kann dann durchaus auch bei 7500 U/min verwertbare Mehrleistung fördern. Dabei geht vielleicht etwas Druckluft im OT direkt in den Auspuff, das dürfte aber die Auslaßventile kühlen und schließlich ist auch das Druckniveau insgesamt bei vielleicht 0,5 bar, was auch der Verdichtung und dem frühzeitigen Zündzeitpunkt entgegen kommt. Optimal funktioniert dies System als zuschaltbarer Kompressor, bei dem die Maschine sonst als Sauger mit Serienverdichtung bei geringer Teillast gefahren werden kann, was der Lastzustand von 99,9 % bei Straßenautos sein dürfte und damit Emissionen und Treibstoff spart.

Bei kleinvolumigen Motoren kann damit die "schärfere" Nockenwelle mit einem Kompressor die bessere Wahl sein.

Besser wird es, wenn man die Nockenwellen (vor allem die Einlaßwelle) noch verdrehen kann. Schafft man es, die Öffnung der Einlaßventile auf etwa 0,7 mm zurückzudrehen, wenn der Kompressor oder Turbolader Druck aufbaut, wird der Ladedruck hochgehen und die Füllung wird verbessert, weil nicht mehr soviel Ladedruck durch die in OT noch geöffneten Einlaßventile über die ebenfalls noch offenen Auslaßventile direkt in den Auspuff verschwindet. Diese Nockenwelleneinstellung im Verhältnis zur Kurbelwelle entspricht dann dem Miller-Prinzip, das aber bei diesen Steuerzeiten die Aufladung braucht. Im Drehzahlbereich von 2500-5000 U/min "hängt" der Motor bei dem Zurückdrehen von "scharfen" Einlaßnockenwellen (z.B. 290° aufwärts) als Sauger stark durch. Das geht dann nur mit Druck beim Gaswechsel. Das heißt also, dass die Steuerzeit bei Motoren mit variablen Nockenwellen auch wieder schärfer sein kann, wenn man das alles beachtet und die Verstellung dem Ladedruck anpaßt. Die Auslaßwelle kann übrigens auch etwas von der Spreizung versetzt werden. Zwischen 10-15° weniger MOP im Verhältnis zur Einlaßwelle ist empfehlenswert.

Fachleute der Firma Schrick (Nockenwellen) geben an, bei Aufladungen sei ein Einlaß-Hub in OT mit 1-2 mm gerade noch vertretbar. Bei 3 mm aufwärts ginge aber deutlich zuviel Ladevolumen des Kompressors/Turbo durch den Auslaß verloren. Das scheint nach Expertenmeinung dann der Kompromiss zu sein, so dass also zwischen 1-2 mm OT-Hub gerade noch vertrtertbar sind, weil man die Brennraumkühlung erreicht und damit bessere Zündvoraussetzungen für die neue Füllung hat, auch wenn der Ladedruck damit etwas geringer ausfällt, andererseits aber soviel wie möglich aus dem gesamten Ladesystem herausholt.

Diese Erkenntnis hat wohl auch Lotus bei dem Umstellen auf Turboladung (ca. 1987) dazu veranlasst, die Auslaßnocke so zu setzen (bei 252° eine Spreizung von 100°), dass dort (auf der Nichtladedruckseite) ein großer Teil der Überschneidung zwichen Einlaß und Auslaß stattfindet, weil das Ladedruck vor dem Einlaßventil bei einer Spreizung dort von 110° (auch 252° Öffnungszeit) dann nicht so stark durchlässt. Das Einlaßventil ist bei dieser Spreizung dann noch nicht so stark geöffnet, wie es bei einem Sauger vernünftig wäre.

Andere Stimmen behaupten, Lotus habe die Außlasswelle deshalb auf etwas mehr Überschneidung versetzt, weil damit minimal Restgas aus dem Auspuff zur Verbrennung zurückgezogen wird. Das soll dann eine Art Abgasrückführung bewirken, die eine Verbesserung der Emmisionserte bringt. Ein etwas später öffnenedes Einlassventil steigert diesen Sogeffekt aus dem Brennraum dann zusätzlich.

Dennoch bringt auch die Reduktion des Ventilhubs in OT durch Verdrehen der Nockenwelle beim Einlassventil bei einem Versuchsmotor nicht die gewünschte Verbesserung der Effizienz, wenn man bei langen Üffnungszeiten (296°) bleibt. Dann erhöht sich der Ldedruck auch nur um etwa 10%, obwohl der Druck nicht in OT "durchfliegt". Also ist das "Durchblasen" wohl doch nicht so uneffizient, bzw wird durch den Staudruck im Auspuff und den übrigen Strömungswidrigkeiten doch noch positiv beeinflusst. In der Leistungsentfaltung ist tatsächlich kein großer Unterschied zwischen den verstellten Einlass-Nockenwellen zwischen 2 und 3,9 mm Hub in OT spürbar.

Durch einige Versuche habe ich die vorgenannten "Weisheiten" selbst entdeckt. Leider hatte ich niemanden gefunden, der mir das erklären konnte, also mußte ich es selbst ausprobieren.

4. Kennfelder?

Nun muß ein Kompressor gesucht werden, der nach dem Kennfeld dies Luftmenge bei der vom Hersteller angegebene Dauerdrehzahl im mittleren Bereich des Kennfeldes bei der Höchstleistungsdrehzahl des Motors bringt. Dann müßte dieser Bereich optimal abgedeckt sein.

Nimmt man einen kleineren Lader, bringt dieser meist im mittleren Drehzahlbereich etwas mehr Füllung, während der größere Lader erst später insgesamt ein größeres Volumen pumpt. Das hängt auch von der Ursprungsgröße des Motors und dem Fahrzeuggewicht zusammen. leichtere Fahrzeuge brauchen untenherum nicht soviel Drehmoment.

Die Kennfelder hängen nicht nur von der Gesamtgröße des Laders ab, sondern der Eingang des Verdichters (bei Zentrifugalverdichtern) schiebt die Leistungs-/Förderkurve nach oben, wenn er vergrößert wird.

5. Turboladergrößen im Verhältnis zum Hubraum

Die meisten Hersteller setzen an kleinere Motoren (1,6-2 L Hubraum) Turbolader, deren Kennefld von etwa 1500 U/min an den Aufbau von Ladedruck gewährleistet. Der beste Wirkungsgrad wird dann um die 5500 U/min erreicht. D kommt auch die serienmäßige Maximalleistung.

Hierbei wird dann die Ladergröße so gewählt, dass auch ein Höhenausgleich von etwa 10-15% als Reserve drin ist. Dieser Bereich kann dann durch erhöhten Laderdruck mit dem Umprogrammieren des Kennfeldes aktiviert werden. Danach dürfte regelmäßig Schluss sein. Es wären also 10-15% Leistungssteigerung noch drin...aber eben auch bei dieser Drehzahl von etwa 5500 U/min.

Lieder fällt danach das Volumen von Luft, das die Verdichterseite des Laders fördern kann so drastisch ab, dass danch auch die Leitsungskurve abfällt. Man kann an den Kennfledern der Turbolader (wenn man sie bekommen kann) erkennen, wie diese Kurve rechts nach unten abfällt. Meist kann man "über den Daumen gepeilt" sagen, dass die Angaben in lb/m mal 10 in etwa die Leistung in PS wiedergeben (siehe oben), die mit diesem Lader maximal erreichbar sind. Da nutzt dan n auch das Höherdrehen nichts...es kommt nichts mehr.

Schaut man sich die Leistungskurven von größervolumigen Motoren an (z.B. Ferrari 488 oder McLaren 675) stellt man fest, dass deren Drehmomentkurve erst bei etwa 3500 U/min so richtig voll kommt.Vorher haben diese Motoren als Sauger genug Drehmoment, dass einem nichts fehlt. Danach gehen die dann weiter und Füllen noch bei 6500 U/min mit vollem Druck. So kommen dann die Leistungswerte bei diesen Drehzahlen zusammen, die dann auch recht hoch im Verhältnis zum Hubraum sind.

Bei klienervolumigen Motoren muss man dann bei Umrüsten auf größere Turbolader die Spürbarkeit des "Turbolochs" in Kauf nehmen, weil so ein Sauger eben bis 3500 U/min nicht soviel Drehmoment von alleine leifern kann.Es ist dann eine Sinnfrage, ob die Mehrelistung später die SChwächen vorher überhaupt ausgleicht?

Letzlich gilt auch hier der alte Grundsatz, dass Hubraum durch nichts zu ersetzen ist!

 


6. Nicht zu vergessen

Habe ich mir nun stolz meine Leistung errechnet und den richtigen Lader verbaut, darf ich mich nicht wundern, wenn auf der Rolle doch nicht alles hinten rauskommt. Erst Mal mußte die Verdichtung reduziert werden um eine chaotische und donnernde Verbrennung des nun deutlich stärker komprimierten Gemischs im Brennraum zu verhindern. Da fehlen schnell mal 15 PS. Und dann muß ja jemand den Lader antreiben. Es gibt Fachleute, die die Antriebsleistung des Kompressors bei etwa 15-20 PS veranschlagen. Roots-Schraubenkompressoren gehen sogar bis fast 60 PS bei Luftumsätzen auf ca. 470 PS. Die muß die Kurbelwelle in den Riemen schicken und kann nur das an die Hinterräder weitergeben, was übrigbleibt.

Der Zündzeitpunkt sollte auch bei vollem Druck um 10-20° zurückgenommen werden, was auch wieder Leistung kosten wird.

Bei den errechneten 300 PS sind dann schnell mal 10% verschwunden, ohne dass was "falsch" gemacht wurde.

Beim Turbolader ergibt sich ein Problem des Staudruck im Krümmer vor der Turbine. Auch hier sind Verluste bei der Spülung des Zylinders einzukalkulieren. Manche Hersteler verscheiben deshalb die Spreizung der Nockenwellen. Bei der 910 Lotus-Maschine läuft der Motor als Sauger am besten mit 104° zu 104°, als Turbo-Motor wurden später 110° auf dem Einlass und 100° auf dem Auslass gewählt (Esprit Turbo SE). Es wurde also das Auslassventil etwa später geschlossen und später geöffnet, während das  Einlassventil später öffnet und später schließt, um den Verlust von Ladedruck im oberen Todpunkt durch die gelichzeitig geögffneten Ventile zu minimieren. Außerdem dürfte diese Spreizung beim Einlass (bei immerhin 260° Öffnungszeit auf beiden Nockenwellen) zu einer Verschiebung der Leistungskurve in höhere Drehzahlen führen.

 

Nürnberg, den 23.10.2019

Jörg Helmling