Früher war alles besser?

Nein, anders!

 

Sie halten es auch wie Sokrates vor etwa 2400 Jahren? Er war sicher, dass die ihm nachfolgende Generation unfähig ist. Damit war gleichbedeutend, dass die eigene Generation besser gewesen wäre.

So ähnlich kommt man sich heute vor wenn man die Entwicklung bei den Mineralölgesellschaften sieht. Die Provisionen werden in Größenordnungen vereinbart, dass man spezielle Taschenrechner braucht, die so viele Stellen hinter dem Komma überhaupt noch anzeigen können. Geht dann die Wirtschaftlichkeit an der Station ebenfalls unter null, ist dringende Strukturhilfe nötig. Eine bestimmte Gesellschaft, die mir dabei einfällt, hat vor etwa zwei Jahren ihre Verträge dahingehend geändert, dass so genannte Betriebskostenzuschüsse nicht mehr als solche gewährt werden, sondern in Wirklichkeit Darlehen darstellen. Das bedeutet aber -und das darf man hierbei nicht vergessen- die Notwendigkeit der Rückzahlung, oder noch besser die Verrechnungsmöglichkeit mit eventuellen späteren Handelsvertreterausgleichsansprüchen.

Dazu hatte ich schon einmal geschrieben, dass man da einen Pakt mit den Teufel eingeht, weil das Problem des Defizits damit nur auf einen späteren Zeitpunkt verlagert wird. Die Krankheit bleibt jedoch unbehandelt und breitet sich meist weiter aus.

Die nächste Steigerung dazu ist dann, dass selbst diese Darlehen die später zurückgezahlt werden müssen, auch nur gewährt werden, wenn entsprechende Ausgaben durch Rechnungen nachgewiesen werden. Da fragt man sich, wer sich so etwas ausdenkt, weil er doch dem Bedürftigen dann in Wirklichkeit Steine statt Brot gibt. Denn dessen wirtschaftliche Probleme werden doch trotzdem immer schlimmer, weil der Deckungsbeitrag fehlt.

Dies ist auch kein Wunder wenn heute für den Treibstoffverkauf pro Liter eine Provision von 0,8 Cent gezahlt wird, was bei vielen kleineren und mittleren Stationen auf‘s Jahr gesehen zwischen 20 - 45.000 € Provisions-Umsätze beim Treibstoff bedeutet. Vor 10 Jahren waren das noch 35 - 65.000 €. Berücksichtigt man dabei, dass eine Tankstelle in der Regel mit etwa 50.000 € Gewinn unterm Strich kalkuliert wird, müssen damit zwangsläufig 15 bis 20.000 € von diesem Gewinn abgezogen werden, wenn die übrigen Parameter im Kostenbereich und beim Umsatz gleich bleiben. Oder die Tankstelle muss plötzlich im Shop diese 15 bis 20.000 € Mehr-Umsatz erwirtschaften, um weiterhin in einem Bereich des vernünftigen Auskommen für den Pächter zu bleiben. Das mag jeder bei seiner eigenen Station einmal überprüfen und seine Schlussfolgerungen ziehen.

Es ist dann schon fast zynisch, wenn bei dieser Entwicklung sogenannte Darlehen dann seit neustem nur noch unter Zugrundelegung von Rechnungen gewährt werden, wobei ich als Anwalt dieser Grundzüge nur aus dem Schadensrecht kenne. Wenn man es sich genau überlegt, gehört dieser -nicht wirkliche- Betriebskostenzuschuss tatsächlich dann auch ins Schadensrecht, da er eigentlich den Schaden des Pächters minimieren sollte.

An dieser Stelle muß auch dringend davor gewarnt werden, Probleme des unterdeckten Agenturkontos (weil z.B. Monatskunden noch fehlen) durch Verlagerung des Geschäftskontos zu lösen. Hier bedarf es einer genauen Buchführung, weil nach spätestens einem Jahr keiner mehr durchblickt, welches Geld wohin gehört. Dann kommt noch eine außerordentliche Kündigung durch die Gesellschaft und die Bank macht den Hahn ganz zu. So bitte nicht!

Die Kritiker des anderen Lagers mögen dazu einwenden, dass im Bereich von Kosten wie Strom oder ähnlichem entsprechende Vereinbarungen für den Pächter durch die große Gesellschaft gefunden wurden, die eine Verbesserung des Betriebsergebnisses bedeuteten. Aber auch hier muss man schlicht die Fakten an den Stationen betrachten. In meiner anwaltlichen Praxis kommen mir immer mehr Fälle unter, in denen einigen fähigen Pächtern eine zweite Station angeboten wurde, dies dann auch zunächst funktionierte, als der Rubel aber dann rollte, wurden die Konditionen in Form von höherer Pacht so geändert, dass beim Betreiben von zwei Tankstellen unterm Strich schließlich auch nur 50.000 € herauskamen.

Um auf meinen Ausgangspunkt zurückzukommen, möchte ich aber doch sagen, dass auch solche Entwicklungen bereits vor 10 Jahren von Gesellschaften versucht wurden, die dann nach relativ kurzer Zeit wieder von diesen Mehrfach-Betreibermodellen Abstand nahmen (ARAL und Shell hatten es in Großstädten bis auf 5 Tankstellen pro Pächter gebracht). So wird es auch bestimmt vorliegend sein, so dass Gesellschaften, die nun meinen, mit harter Hand den eigenen Geldbeutel zu halten zu müssen, irgendwann feststellen, dass ein Betreiben der Stationen ohne Pächter nicht möglich ist. Schließlich werden Sie dann selbst die Funktion der Banken übernehmen müssen, und diesen Pächtern günstige Kredite zur Verfügung stellen müssen, damit überhaupt Stationen betrieben werden können. Das kostet dann auch wieder Geld, vom Imageverlust ganz zu schweigen.

In den Ausgangsbefund zu korrigieren würde ich dann sagen, dass wohl das einzige was früher war und in Zukunft bleiben wird, die gewisse Kurzsichtigkeit bei dem finanziellen Engagement größerer Unternehmen sein wird. Früher hat man dies als bedingungsloses Erfüllen des shareholder-values verunglimpft.

Es bleibt aber dabei, dass ein Unternehmen auch an eine gewisse Beständigkeit denken sollte, wenn es eine entsprechende Größe angenommen hat. So gibt es auch einige gute Beispiele an denen man sich orientieren sollte, bei denen das gute Image des Konzerns erhalten wurde.

 

 

März 2012

Jörg Helmling